Ein sogar sehr berühmtes, dem Jahrhundert Dr. Luthers auch
besonders wohlbekanntes historisches Vorbild für Faustus hat
es indessen wirklich gegeben . Zwar hatte er mehr als ein Jahr-
tausend vorher in der römischen Provinz Numidien gelebt, aber
der berüchtigte nordafrikanische Ketzer Faustus war für Doktor
Luther darum besonders wichtig, weil er eine Hauptrolle in der
Entwicklung des (von Luther selber sogenannten) Evangeliums
der Gnade gespielt hatte .
Der numidische Faustus war Bischof unter den Manichäern, einer
Sekte, welche ihre Glaubensartikel auf der Vernunft zu basieren
behauptete . Sie waren geschickte Astronomen, gerühmt für
treffende Kalkulationen zu den Bewegungen himmlischer Körper .
Faustus war bekannt für seine Anmaßung, genauestens das Gute
und das Böse gegeneinander abgrenzen zu können, denn die
radikale manichäische Weltteilung zwischen Licht und Dunkel
war für die Sekte charakteristisch. Augustinus mußte den
manichäischen Dualismus schließlich für unvereinbar mit dem
judeo-christlichen Monotheismus erklären . Er veröffentlichte
die von Faustus repräsentierten Thesen, um sie auf diese Weise
mit der eigenen Auffassung katholischen Glaubens zu konfrontieren.
In diesen schriftlichen “Disputationen” mit Faustus fanden in einem
späteren Millennium die Lutheraner solide Unterstützung für ihr
eigenes Bestehen auf die Alles umfassende und Allem zugleich
innewohnende, immerwährende Gnade Gottes, die über alle Ver-
nunft geht. Sie hielten den ketzerischen Vernunft-Glauben für
eine Eingebung des Teufels, und Luther verglich selber gerne die
Manichäer mit den Papisten, denen er auch das Dispensieren und
Manipulieren der göttlichen Gnade vorwarf.
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