Da bildet sich der Roman heraus als das grosse Fahrzeug,
auf dem sich die Fragmente der verlorenen grossen Form,
des Epos, sammeln koennen - es kommen Truemmer der
Tragoedie und der Komoedie hinzu, Reste der Lyrik, Ueber-
bleibsel der Spruchkultur und der gnomischen Weisheits-
ueberlieferung, Spuren des Raetsels, auch groessere Fetzen
des Mythos, der ja seit langem ueber seine naive Zeit hinaus
ist, zudem eine gute Dosis an Juristen-, Sophisten- und
Rhetorensprachspielen, ein letzter Rest der Mysteriengefluester
nicht zu vergessen . Der antike Romancier ist also eine Art
Sprachlumpensammler, der mitnimmt, was an ausgehoehlten
Formen herumliegt . So formiert sich ein Sprachknaeuel, das
den Roman ergibt und dessen Genie, bei Licht gesehen, Platon
gewesen ist .
(aus: Peter Sloterdijk in Die Sonne und der Tod)