Freitag, Juli 08, 2005

MOORMORE

pflasterdichte pastafichte . wir fuhren am dienstag los die reise
hatte sich etwas verschoben . als einstieg fuer den aufenthalt
im moor kam ueber das radio eine meldung von einer moorleiche
die erst nach etlichen jahren als solche identifiziert wurde . sie war
offensichtlich so gut erhalten dass man zuerst vermutete es handle
sich um eine leiche aus jetziger zeit .

in braas wurden wir dann von der polizei gestoppt . waehrend ich
unangeschnallt auf dem beifahrersitz den arm locker aus dem
fenster haengend die stadt erkundete begruessten mich zwei junge
polizistinnen die genau neben uns an einer roten ampel standen
und uns ueberaus freundlich und scheu aufforderten nach dem
ueberfahren der kreuzung auf dem seitenstreifen anzuhalten . wir
kamen der aufforderung nach und ich buesste mit dreissig euro fuer
den gurtverstoss . auf die frage ob ich noch was zu sagen haette sagte
ich nur dass ich mir meines verstosses im klaren waere und dass es
keinerlei sinn taete mich dagegen zu wehren oder herauszureden
und dass ich es auch nicht mit absicht getan haette nur um sie
kennenzulernen . der abschied war schon fast freunschaftlich und
man sah ihr an dass es ihr peinlich war .

im moor war alles vergessen und die natur hatte mich fest im griff .
jede nacht war ich draussen zwischen den feldern und sah den mond
aufsteigen der ganz tief und dicht ueber den eichenwaeldern hing
und ihre blaetter frass . das monstrum vom restlicht der sonne
orange gefaerbt war so nah dass der raum um mich herum wie eine
urbox erschien und das fahle licht ritzen suchte um in meinen koerper
zu dringen . die zeit wurde aufgehoben der raum angehoben . alles
schien aufeinander abgestimmt . was wir als stimmung bezeichnen
war hier und jetzt ausdruck unserer natur . nichts haette mich
erschuettert . lediglich erstaunt . allein die koerper der pferde die
im aufkommenden nebel der hamme weideten waren grund genug
zu verstummen . mit jedem schnauben erzitterte das gras mit jedem
fluegelschlag der eule geriet die luft in wallung . aus der substanz des
untergrunds veraenderte und bereicherte sich geringfuegig der
biographische blick . das moor aus jahrhunderten geboren lag vor
mir als teppich des denkbaren .

am tage erzaehlten die dinge eine andere geschichte . ich dachte ans
essen ans baden und paddeln . in der hitze verbrannte die haut
unheimlich schnell . hier gab es keine smogschicht die einen schuetzte
und die sonnencreme war viel zu niedertourig . mit dem fahrrad fuhr
ich alte sandwege ab strich durchs unterholz und vergnuegte mich im
nichtstun . im gras liegend zaehlte ich die speichen und dachte an die
lagunen venedigs . fuhr mit dem boot die kanaele ab und besuchte
alte freunde . ich konnte ploetzlich italienisch sprechen hatte einen
palazzo und einen hund der mir als kind zugelaufen war . aus meiner
wasserflasche floss pellegrino und meine haende rochen nach olivenoel
zu guter letzt erschien mir noch eine madonna am wegesrand mit
nackten fuessen und einem faehnchen in der hand so als ob wir bei der
tour de france waeren . ich liess die luft aus dem reifen schenkte ihr
meine klingel schaltete das licht an und fuhr weiter . an den
gepaecktraeger hatte ich eine schnur gebunden an deren ende wie
ein drachen eine kleine kathedrale hing die in der abendsonne
leuchtete . ich dachte an moamed und seinen filzstrumpf den er mir
per post gesendet hatte .

in der daemmerung sass ich wieder vor den pferdeweiden im stuhl
auf der veranda . vom haus aus sah man die gleise der einspurigen
eisenbahn die meist nur am wochenende zweimal morgens und
zweimal abends vorbeifuhr . der zug selbst hatte das format eines
tryptichons . vorne und hinten zwei alte panorama-triebwagen und
in der mitte beinahe doppelt so gross ein geschlossener gueterwagen
dieses tryptichon dass laut pfeifend durch die sattgruene landschaft
zog entfaltete eine assoziationskette die allerlei szenen aus filmen
hervorbrachte die ich irgendwann schon einmal gesehen hatte . ich
tauschte das gruen gegen ein braun liess staub aufwirbeln und
buesche durch die gegend treiben . sattelte das beste pferd und
lackierte mir den daumen und zeigefinger silbern . knickte die
anderen ein und zielte auf die am himmel erscheinenden sterne .
starwars das sternbild am suedlichen horizont zuckte zusammen
und etwas weiter suedlich der herr der ringe und beinahe ueber
mir glitzerte aengstlich das fuenfte element . nach dem wir uns
alle beruhigt hatten liess ich ab senkte mich in meinen stuhl
zurueck atmete tief durch und schloss die augen .

im laufe dieses vorganges da mein augenlid sich wie ein
garagentor schloss bemerkte ich dass mein rgb-spektrum
wie eine kaputte ampel reagierte . rot war gruen . blau war
rot . gruen war blau . das feld meiner traeume steckte im
widerspruch . ich legte mich aufs bett liess die augen
geschlossen raeumte die garage auf setzte mich auf den
beifahrersitz meines chevy und schlief ein . ich weiss nicht
wie lange ich geschlafen hatte als ich auf dem fahrersitz
einen mann sitzen sah der sich an den armaturen zu schaffen
machte und als ich ihn fragte was er suche nur die lapidare
antwort gab er suche nach erinnerungen so wie man das aus
detektivfilmen kennt . allmaehlich wusste ich selbst nicht
mehr in welchem film ich steckte und ob es noch eine
heckklappe gab aus der man aussteigen konnte wie aus
einem rueckenakt von corinth . gewissermassen stand ich
auf einer dieser schwellen von denen man sagt sie generieren
deine erwartungen . wie eine batterie die dich laedt um in den
naechsten raum zu gelangen um aus der tuer zu treten in eine
oeffentlichkeit die bisher nicht zugaenglich war weil man angst
hatte etwas erfuellen zu muessen anstatt einfach zu fuellen .

bevor ich endgueltig einschlief hatte ich als letzten gedanken
ein bild von schienen die als eine lange leiter im moor lagen
und deren stufen sich zu hunderten aneinanderreihten .









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