Samstag, Februar 14, 2009

VOn dieser Deutschen Poeterey nun zue reden /
sollen wir nicht vermeinen / das vnser Land
vnter so einer rawen vnd vngeschlachten Lufft
liege / das es nicht eben dergleichen zue der
Poesie tüchtige ingenia könne tragen / als
jergendt ein anderer ort vnter der Sonnen.
Wein vnnd früchte pfleget man zue Loben von
dem orte da sie herkommen sein; nicht die
gemüter der menschen. Der weise Anacharsis
ist in den Scitischen wüsten gebohren worden.
Die Vornemsten Griechen sind in Egypten /
Indien vnd Franckreich gereiset / die weißheit
zue erlernen. Vnd / vber diß das wir so viel
Vorneme Poeten / so heutiges tages bey vns
erzogen worden / vnter augen können stellen /
erwehnet Tacitus von den Deutschen in dem buche
das er von jhnen geschrieben / das ob wol weder
Mann noch Weib vnter jhnen zue seiner zeit den
freyen künsten ob zue liegen pflegeten / faßeten
sie doch alles was sie im gedächtniß behalten
wolten in gewisse reimen vnd getichte. Wie er
denn in einem andern orte saget / das sie viel
von des Arminius seinen thaten zue singen
pflegeten. Welches sie vieleichte den Frantzosen
nachgethan haben / bey denen / wie Strabo im
fünfften buche anzeiget / Dreyerley Leute waren /
die man in sonderlichen ehren hielt: Bardi, Vates
vnnd Druiden. Die Barden sungen Lobgetichte vnnd
waren Poeten; Die Vates opfferten vnd betrachteten
die Natur aller dinge; Die Druiden pflegten vber
die Natürliche Wissenschaft auch von den gueten
sitten zue vnterrichten. Welches auch Marcellinus
im fünfften buche bekrefftiget: Die Barden / saget
er / haben berümbter männer ritterliche thaten mit
heroischen Versen beschrieben / vnd mit süßen
melodien zue der leyer gesungen. Vnd Lucanus im
ersten buche des bürgerlichen Krieges

Martin Opitz . Aus dem Buch von der deutschen Poeterey
geb. 1597 in Bunzlau; gest. 1639 in Danzig


Ein haar so kühlich trotz der Berenice spricht /

Ein mund / der rosen führt und perlen in sich heget /

Ein zünglein / so ein gifft vor tausend hertzen träget /

Zwo brüste / wo rubin durch alabaster bricht /

Ein hals / der schwanen-schnee weit weit zurücke sticht

Zwey wangen / wo die pracht der Flora sich beweget /

Ein blick / der blitze führt und männer niederleget /

Zwey armen / derer krafft offt leuen hingericht /

Ein hertz / aus welchem nichts als mein verderben quillet /

Ein wort / so himmlisch ist / und mich verdammen kan /

Zwey hände / derer grimm mich in den bann gethan /

Und durch ein süssen gifft die seele selbst umhüllet /

Ein zierrath / wie es scheint / im paradieß gemacht /

Hat mich um meinen witz und meine freyheit bracht.


Christian Hofmann von Hofmannswaldau
geb. 1616 - gest. 1679 in Breslau;